Hilfen für Kinder und Jugendliche psychisch erkrankter Eltern

MÖNCHENGLADBACH Vor Jan liegen drei Bälle: ein grüner, ein roter und ein orangefarbener. Zielsicher greift der Zehnjährige nach dem grünen Ball. Mit dem Finger zeigt er auf ein Plakat mit Figuren. „Der Junge, der da in der Hängematte liegt, der bin ich. Dem geht es so gut wie mir“, sagt Jan. Das ist nicht selbstverständlich. Noch vor anderthalb Jahren hat er immer zum roten Ball gegriffen. Seine Stimmung konnte Jan damals kaum mit den Figuren auf dem Plakat in Verbindung bringen. Jans Mutter ist depressiv und der Zehnjährige mit den Stimmungsschwankungen überfordert. Er fühlt sich für seine Mutter verantwortlich.

Jan ist nur ein fiktiver Charakter. Dennoch steht er beispielhaft für andere Kinder, die von der Gesprächs- und Beratungsgruppe „KiMM“ – Kinder im Mittelpunkt in Mönchengladbach – profitieren. Das kostenlose Angebot des RehaVereins im Rahmen des KipE-Projekts (Hilfen für Kinder psychisch erkrankter Eltern) in Kooperation mit der Evangelischen Jugend- und Familienhilfe gGmbH richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 14 Jahren. Es findet regelmäßig jeden Freitag von 15.30 bis 17 Uhr im Pädagogisch therapeutischen Zentrum (PätZ) an der Immelmannstraße mit maximal acht Teilnehmern statt. Die Gruppe wird von zwei Mitarbeiterinnen der Jugend- und Familienhilfe betreut, die sehr wichtige Bezugspersonen sind.

„Die Kinder machen in der Gruppe die Erfahrung, dass sie nicht alleine sind. Dass es auch anderen mit Mama oder Papa ähnlich geht und dass sie sich für ihre Gefühle nicht schämen brauchen. Sie lernen, die Erkrankung der Eltern zu verstehen und was sie in bestimmten Situationen auch für sich selbst tun können“, fasst Projektkoordinatorin Birthe Wernery vom RehaVerein die wichtigsten Ziele von KiMM zusammen. Sie führt die Erstgespräche mit den betroffenen Eltern und Kindern, fragt, welche psychische Erkrankung vorliegt, ob das Kind darüber Bescheid weiß, klärt über das Gruppenangebot auf und nimmt Ängste. „KiMM ist weder eine Auflage vom Jugendamt noch mit einem anderen Zwang für Eltern und Kinder verbunden“, sagt Birthe Wernery.

Kinder brauchen Zeit, sich und die Erkrankung der Eltern besser zu verstehen

Eines ist bei der Arbeit jedoch unerlässlich: Zeit. Sowohl was die Erstgespräche im Vorfeld betreffen als auch die Gruppenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen. So kann es Wochen, Monate oder auch Jahre dauern bis sie ihre Gefühle erkennen, verstehen und einordnen können, die eigenen Stärken entdecken und ein Selbstwertgefühl aufbauen. „Darum sind wir regelmäßig auf Spenden angewiesen, um das Gruppenangebot fortlaufend garantieren zu können. Dass die Schaffrath Stiftung unsere Arbeit mit 5000 Euro unterstützt, dafür sind wir sehr dankbar“, betont Dieter Schax, Vorsitzender des RehaVereins. Denn zunächst startete KiMM 2012 und 2013 in Kursform. Dank einer großzügigen Spende des Karnevalprinzenpaares der Session 2013/14 konnte das Angebot fortlaufend zur Verfügung gestellt werden. Durch die Regelmäßigkeit steigen auch die Erstanfragen. Waren es 2015 noch 34 ist die Zahl ein Jahr später auf 62 angestiegen. „Die Nachfrage nach freien Plätzen ist groß, und die Warteliste entsprechend lang. Leider können wir aus finanzieller Sicht nicht mehr als acht Plätze anbieten, weil für unsere Präventionsarbeit staatliche Hilfen fehlen“, sagt Dieter Schax.

Stiftungsgründerin Renate Schaffrath war sofort von der Projektarbeit des RehaVereins für Kinder psychisch erkrankter Eltern angetan: „Es muss viel bekannter werden in der Öffentlichkeit. Kinder dürfen nicht die Schuld auf sich nehmen und Verantwortung für Mutter oder Vater übernehmen, wenn diese psychisch krank sind. Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen die Arbeit des RehaVereins unterstützen und damit auch ein Tabuthema brechen.“

Linktipps:

www.schaffrath-stiftung.de
www.rehaverein-mg.de
www.jugend-und-familienhilfe.de

Bildunterschrift:

Antonius Bergmann, Kuratoriumsmitglied der Schaffrath Stiftung, überreicht den Verantwortlichen der Gesprächs- und Beratungsgruppe KiMM den Scheck über 5.000 Euro.

vorne (v. l.): Denise Jacoby – Gruppenleitung KiMM Evangelische Jugend- und Familienhilfe – Dieter Schax, Vorsitzender RehaVerein, hinten stehend (v. l. n. r.): Verena Müller – Gruppenleitung KiMM Evangelische Jugend- und Familienhilfe, Antonius Bergmann – Kuratoriumsmitglied der Schaffrath Stiftung, Michelle Tax – Gruppenleitung KiMM Evangelische Jugend- und Familienhilfe, Birthe Wernery mit Labrador Sam – Projektkoordination KipE/RehaVerein

Foto: Silvana Brangenberg, Schaffrath Stiftung, Abdruck honorarfrei